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Der kürzlich erfolgte Doppelmord an zwei Polizisten in Kusel (Rheinland-Pfalz) hat uns nicht nur Gewalt gegen Polizisten erneut vor Augen geführt sondern auch für ein weiteres Thema in Deutschland sensibilisiert, das bisher nicht die erforderliche Beachtung gefunden hat: die Wilderei.
Wir möchten Euch daher in diesem Artikel dieses Thema näher bringen und unter anderem erläutern, was Wilderei bedeutet und welche Größenordnung sie in Deutschland einnimmt.
Was Ihr über Wilderei wissen müsst
Das Wichtigste zuerst: ein Wilderer ist kein Jäger. Wir Jäger distanzieren uns ausdrücklich von jeder Art der Wilderei, denn sie widerspricht den Grundsätzen der Jagd. Einfach ausgedrückt kann Wilderei als unerlaubte/illegale Jagd oder unerlaubtes Fangen von Wildtieren bezeichnet werden. Sie erfolgt willentlich und unberechtigt in fremdem Revier. Sie ist in Deutschland weiter verbreitet als oftmals angenommen. Juristisch wird sie als „Straftat gegen das Vermögen und gegen Gemeinschaftswerte“ strafrechtlich verfolgt.
Neben dem Aspekt der strafrechtlichen Relevanz richten Wilderer ihr Handeln auch nicht nach den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit aus. Darunter verstehen Jäger alle geschriebenen und ungeschriebenen rechtlich bedeutsamen Regeln und Verhaltensweisen im Jagdwesen. Kurz: die waidmännischen Pflichten. Geschützte Tierarten, Schonzeiten, die für jagdbare Tierarten zugelassenen Kaliber und vieles mehr spielen für Wilderer keine Rolle. Sie jagen das vorkommende Wild mit den ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln und nehmen dabei auch mögliches Leid der Tiere willentlich in Kauf.
Das Strafgesetzbuch (StGB) definiert Wilderei wie folgt:
§ 292 Jagdwilderei
(1) Wer unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts
- dem Wild nachstellt, es fängt, erlegt oder sich oder einem Dritten zueignet oder
- eine Sache, die dem Jagdrecht unterliegt, sich oder einem Dritten zueignet, beschädigt oder zerstört,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat
- gewerbs- oder gewohnheitsmäßig,
- zur Nachtzeit, in der Schonzeit, unter Anwendung von Schlingen oder in anderer nicht weidmännischer Weise oder
- von mehreren mit Schusswaffen ausgerüsteten Beteiligten gemeinschaftlich
begangen wird.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die in einem Jagdbezirk zur Ausübung der Jagd befugten Personen hinsichtlich des Jagdrechts auf den zu diesem Jagdbezirk gehörenden nach § 6a des Bundesjagdgesetzes für befriedet erklärten Grundflächen.
Es existiert jedoch auch ungewollte Wilderei – ungewollt deshalb, weil sie unbewusst erfolgt. Es mag für Viele befremdlich erscheinen, aber zum Beispiel auch das Sammeln von Federn, Abwurfstangen, Gehörn oder das Mitnehmen von verunfalltem Wild unterliegt ebenfalls dem Tatbestand der Wilderei. Verunfalltes Wild (zum Beispiel durch einen Verkehrsunfall) gehört weiterhin dem Revierinhaber. Solange Ihr also nicht die ausdrückliche Erlaubnis zur Mitnahme für eines der oben genannten Beispiele vom Revierinhaber besitzt, heißt es: Finger weg.
Wie häufig kommt Wilderei in Deutschland vor?
Für Deutschland weist die Polizeiliche Kriminalstatistik im Zeitraum 1995 – 2020 jährlich zwischen 864 – 1.502 polizeilich erfasste Fälle von Jagdwilderei aus. Die Höchstzahl von 1.502 gemeldeten Fällen fällt auf das Jahr 1995 zurück, der Tiefststand von 864 Fällen auf das Jahr 2012. Für 2020 wurden 1.080 Fälle in der Kriminalstatistik erfasst. Nur rund 1/3 davon wurden gelöst.
Bei diesen Daten ist zu berücksichtigen, dass sie lediglich die der Polizei gemeldeten Fälle von Wilderei abbilden. Die Gesamtzahl aller Fälle wird vermutlich nie vollständig ermittelt werden können und liegt nach allgemeinen Schätzungen von Polizei und Verbänden deutlich über den Angaben der Polizeilichen Kriminalstatistik. Wir reden also lediglich über die so genannte Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer ist hoch und der grösste Teil der Ermittlungen bleibt erfolglos. An sich ist dies auch nachvollziehbar, denn Wilderer arbeiten sehr gezielt und schnell. Sofern ihre Taten überhaupt an Ort und Stelle bemerkt werden, benötigt die Polizei Zeit zum Eintreffen. Bis dahin sind die Wilderer meist wieder verschwunden.
Welche Waffen werden zur Wilderei eingesetzt?
Wilderer möchten unentdeckt bleiben. Weniger vor Wildtieren als vielmehr vor Menschen, um nicht gestellt und zur Rechenschaft gezogen zu werden. Daher werden hinsichtlich der Lautstärke gerne kleinkalibrige Schusswaffen und Schalldämpfer eingesetzt. Damit die Waffen optisch nicht auffallen, wird häufig auf gekürzte oder zerlegbare Waffen zurück gegriffen.
Die Waffen werden zum Teil oder gänzlich illegal besessen. Wie im Fall von Kusel können sie auch militärischen Standards wie zum Beispiel Nachtsichtzieltechnik entsprechen. Im Gegensatz zum Wärmebild- oder Nachtsichtgerät verfügen die zuvor genannten Geräte über ein eigenes Absehen und werden wie ein herkömmliches Zielfernrohr auf einer Schusswaffe angebracht.
Mit diesen Gegenständen ausgerüstet, kann über weite Entfernungen und von nahezu allen Orten Wild beobachtet und erlegt werden. Autos als „mobile Kanzel“ und Schüsse aus Kraftfahrzeugen sind keine Seltenheit bei Wilderei. Auch die Jagd mit Armbrust, Bogen, selbstgebauten Fallen und Schlingen wird praktiziert. Oftmals werden Wildtiere bei diesen Jagdarten nicht sofort erlegt sondern einem langen Todeskampf ausgesetzt. Dies widerspricht vollumfänglich den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit, der sich Jäger verpflichtet haben.
Warum wildern Menschen?
Die Beweggründe für Wilderei sind individuell und unterschiedlich. Im Vordergrund stehen bei den meisten Wilderern aber vermutlich Jagdlust, Wildbret und Trophäen. Besonders der Beweggrund „Wildbret“ ist nicht zu verachten, denn Wildbret ist neben seinem besonderen Geschmack auch finanziell äußerst attraktiv. Wer sich einmal bei seinem Metzger nach dem Preis erkundigt, weiß schnell Bescheid.
Was soll ich tun, wenn ich Zeuge von Wilderei werde?
Wie das Beispiel aus Kusel zeigt, ist mit Wilderern nicht zu spaßen. Daher ist in diesem Zusammenhang auch niemand (egal ob Jäger, Revierinhaber oder Privatperson) zu Heldentaten aufgerufen – auch wenn es schwer fallen mag und viele von uns einen Wilderer gerne auf frischer Tat stellen würden, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Ihr müsst immer bedenken, dass ein Wilderer höchstwahrscheinlich bewaffnet, meist gut ausgerüstet und sich seiner Taten im vollen Umfang bewusst ist. Daher wird er auf der Hut sein und im Ernstfall auch nicht vor einem Waffeneinsatz oder körperlicher Gewalt zurückschrecken.
Auch aus einer rechtlichen Perspektive solltet Ihr vorsichtig sein, denn die Bewertung einer Situation, die bis hin zu Körperverletzung/Notwehr führen kann, obliegt der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Richter. Die Tat gegen ein Wildtier wird mit einer Tat gegen einen Menschen ins Verhältnis gesetzt und in ihrer Schwere möglicherweise als nicht gerechtfertigt angesehen.
Setzt Euch diesen Risiken und Unsicherheiten nicht aus. Verständigt also die Polizei. Ihr könnt Euren Standort, eine Fahrzeug– und Personenbeschreibungen durchgeben, sofern ihr Beobachtungen macht, die auf Wilderei hindeuten. Gleiches gilt für Fallen insbesondere aus Schlingen.
Was ist in Kusel passiert und wie reagieren Medien und Politik?
Die Ermittlungen im Fall Kusel dauern noch an, daher bilden die nachfolgenden Informationen lediglich den Stand bis 19.02.2022 ab.
In den frühen Morgenstunden des 31.01.2022 wurden zwei Polizisten bei einer PKW-Kontrolle in Kusel von Wilderern erschossen. Nach Informationen von Dieter Mahr, Präsident des Landesjagdverbandes Rheinland-Pfalz, soll der Hauptverdächtige Andreas S. bereits seit Jahren in rund 480 fremden Revieren im Grenzgebiet zu Frankreich gewildert haben. Für diese fremden Jagdgebiete hat er offenbar auch Jagdeinladungen an andere Jagdgäste ausgesprochen. Er war hervorragend mit teils militärischer Ausrüstung (Nachtzieltechnik) ausgestattet und setzte Jagdhunde ein.
Nach aktuellen Informationen hat Andreas S. seinen Jagdschein das erste Mal in 2004 aufgrund eines durch ihn verursachten Jagdunfalls verloren, erhielt ihn jedoch wieder zurück. In den Folgejahren wurde er mehrfach wegen Wilderei angezeigt, die Verfahren allerdings aufgrund Mangel an Beweisen wieder eingestellt. Diese Verfahren scheinen aber ausreichend gewesen zu sein, seinen Jagdschein in 2020 nicht mehr zu verlängern. Andreas S. war seitdem also kein Jäger mehr und hätte demnach auch keine Waffen mehr besitzen dürfen. Warum das so ist, erklärt Dr. Heiko Granzin (Fachanwalt für Jagdrecht) in dem kurzen Interview: „Waffenschein, Waffenbesitzkarte, Jagdschein – was ist was?„.
Trotz all dieser offensichtlichen Fakten, dass die Tat in Kusel nicht von einem Legalwaffenbesitzer und mit illegalen Waffen verübt wurde, musste nicht lange auf Stimmen gewartet werden, die mit ihrem gefährlichen Halbwissen nach einer Verschärfung des Waffenrechts rufen. Doch vielleicht dringt es auch zu diesen Befürwortern eines noch strengeren Waffenrechts eines Tages durch, dass weitere Rechtsverschärfungen nur diejenigen treffen, die sich ohnehin dem legalen Waffenbesitz verschrieben haben und eben nicht jene, denen der Waffenbesitz verwehrt werden soll. Wer sich mit seinem Handeln bereits außerhalb des Gesetzes bewegt, den kümmert eine Verschärfung des Gesetzes nicht mal ansatzweise.
Fazit
Wilderei ist nicht nur in Deutschland ein Problem, welches kaum kontrollierbar ist und nicht beziffert werden kann. Wilderer haben unterschiedliche Motive für ihr Handeln und stammen aus allen sozialen Schichten der Gesellschaft. Doch Eines ist sicher: ihr Verhalten entspricht nicht den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit und wird strafrechtlich verfolgt. Sie bewegen sich außerhalb rechtlicher Normen.
Der Doppelmord an Polizisten in Kusel hat den Tatbestand der Wilderei auch in das Interesse der Öffentlichkeit gebracht. Leider erneut in die falsche Richtung. Wie so oft bei Delikten mit illegalen Waffen braucht man nicht lange auf das erste Medienecho nach einer Verschärfung des Waffenrechts zu warten. Die Differenzierung zwischen legalen und illegalen Waffen und Waffenbesitzern im Zusammenhang mit dem Waffenrecht fehlt schlicht und ergreifend. Ebenso das Verständnis über die Auswirkungen, wer mit diesen Verschärfungen getroffen wird und wie sie sich auf Behörden und den Verwaltungsaufwand auswirken können. Bereits heute treten Verwaltungsprobleme zu Tage, die Außenstehenden nicht bewusst sind und die sich weiter zuspitzen können, je mehr am ohnehin schon strengen Waffenrecht weiter geschraubt wird.
Geht es um Waffenbesitz und das Waffenrecht, scheint bestimmten Gruppen jedes Augenmaß abhanden gekommen zu sein. Die Auswirkungen der eigenen Forderungen werden nicht überschaut oder verstanden. Emotionen und Meinung stehen zu stark im Vordergrund. Das alleinige Wort in diesen Angelegenheiten können und dürfen wir Legalwaffenbesitzer diesen fachfremden Gruppen daher nicht überlassen.
Hat Euch dieser Artikel gefallen? Welche Dimension hat Wilderei in Deutschland derzeit eingenommen? Sind die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik repräsentativ oder liegt die Zahl um ein Vielfaches höher? Habt Ihr bei Euch im Revier schon einmal verdächtige Aktivitäten bemerkt, die auf Wilderei hindeuten könnten? Was habt Ihr unternommen? Lasst uns an Euren Erfahrungen teilhaben.