Weitere Verschärfung des Waffenrechts geplant – BMI will Gesundheitsämter einbinden

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Was bisher passierte …

Nachdem auf Nachfrage des Deutschen Jagdverbandes beim Bundesinnenministerium in der laufenden Legislaturperiode keine Änderung des Waffenrechts mehr erfolgen sollte, sind die meisten von uns vergangene Woche überrascht worden. Die Verbände und Vereine, deren Mitglieder legal Waffen besitzen und nutzen, erhielten von eben jenem Bundesinnenministerium (BMI) einen Entwurf zur Anpassung des Waffenrechts mit der Bitte, eine Stellungnahme dazu innerhalb der nächsten vier Werktage abzugeben. Der Titel des Entwurfs lautet: „Gesetz zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“.

Einbindung der Gesundheitsämter?

Der Entwurf des BMI sieht vor, in der neuen Fassung u.a. die Gesundheitsämter bei der Bewertung einer Person hinsichtlich der waffenrechtlichen Eignung mit einzubeziehen. Es ist möglich, dass hierbei medizinische und / oder psychologische Daten abgefragt werden, die einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) gleichkommen. Eine MPU wird bereits in anderen Bereichen angewandt, z.B. im Verkehrsrecht zur Feststellung der Fahreignung / Fahrtauglichkeit – dort wird sie umgangssprachlich auch „Idiotentest“ genannt!

Anwendung findet die MPU dort bei Personen, die in einem der folgenden Bereiche auffällig geworden sind:

  • verkehrsrechtlich (Punkteregister Flensburg, schwerwiegender Verstoß)
  • strafrechtlich (mehrfach aggressives Verhalten)
  • Alkoholeinfluss (mehrfach auffällig)
  • Illegaler Drogeneinfluss / -konsum

Bestandteile der MPU sind:

  • psychologisches Gespräch (Ursache für das Fehlverhalten, Einsicht zum Fehlverhalten, Vorsätze für die Zukunft)
  • ärztliche Untersuchung (Blutabnahme, Messung Leberwerte, Drogen- und / oder Alkoholscreening)
  • Diagnostik (Konzentration, Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit)

Es werden demnach geistige, körperliche, gesundheitliche und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale untersucht, die eine Prognose für die Zukunft abgeben sollen, ob eine Person die Fahrtauglichkeit ohne Gefahr für die Allgemeinheit ausüben kann oder nicht. Für ein positives Ergebnis (Bestätigung der Verkehrstauglichkeit) muss die untersuchte Person Einsicht des Fehlverhaltens einräumen und eine Änderung des Verhaltens aufzeigen können. Das Ergebnis der Einschätzung der untersuchenden Ärzte basiert auf Fakten und Erfahrungs- / Einschätzungswerten.

Das Besondere: Im Gegensatz zur verkehrsrechtlichen MPU – die nur angewandt wird, wenn man als Fahrer mehrfach auffällig geworden ist – soll die Abfrage bei den Gesundheitsämtern zukünftig auf jeden Antragsteller angewandt werden.

Verschärfung aufgrund Geschehen in Hanau 2020!

Ausgangspunkt für die Gesetzesänderung ist das Geschehen in Hanau am 19.02.2020. An diesem Tag verletzt ein Mann 6 Menschen schwer, tötet seine Mutter, 9 weitere Menschen und im Anschluss sich selbst. Mit Fortschreiten der Ermittlungen über den Täter stellt sich heraus, dass dieser bereits bei unterschiedlichen Behörden aktenkundig war oder dort anderweitig in Erscheinung getreten ist und eine eigene Internetseite betrieb, auf der er Dokumente und Videos veröffentlichte.

Seit dem Jahr 2002 wird er in 15 staatsanwaltlichen oder polizeilichen Akten erwähnt, bei einem Drittel davon als Beschuldigter. Hierunter fallen unter anderem:

  • Verdächtigung des Drogenschmuggels
  • aggressives Verhalten und körperliche Angriffe sowie
  • Brandstiftung

Kurz nach der Jahrtausendwende wurde er aufgrund von Wahnvorstellungen in eine Psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Das nach seinem Tod bei ihm gefundene Manuskript ähnelte in der Grundstruktur einer Strafanzeige, die er Ende 2019 beim Generalbundesanwalt einreichte. Hierin thematisierte er eine unbekannte, als Geheimdienst operierende Organisation sowie die Existenz und den Einsatz von Gedankenkontrolle gegen Menschen.

All diese Vorfälle führten jedoch nicht dazu, dass der Täter bei den Behörden als Risiko eingestuft, stärker überprüft oder medizinisch-psychologisch untersucht wurde. Auswirkungen auf die waffenrechtliche Erlaubnis hatten die Vorfälle ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Mitte 2013 wurden ihm die grüne sowie die gelbe Waffenbesitzkarte (WBK) ausgestellt, im August 2019 erhielt er den Europäischen Feuerwaffenpass.

Forensische Psychiater stuften den Täter nach seinem Tod als an paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie sowie Wahnvorstellungen und einer schweren narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidend ein.

Wie geht es weiter – Stellungnahme des Forum Waffenrecht!

Das Forum Waffenrecht (FWR) hat ein Positionspapier veröffentlicht, in dem es den BMI-Entwurf bewertet und seinen Standpunkt zu den Änderungen darlegt. Das Papier findet Ihr auf der Seite des Deutschen Jagdverbandes.

Die Erklärung des FWR erging von folgenden Mitgliedern:

  • Deutscher Jagdverband e. V (DJV)
  • BDS 1975 e. V. – Bund Deutscher Sportschützen e. V.
  • Bund der Militär- und Polizeischützen e. V. (BDMP)
  • Deutsche Schießsportunion e. V. (DSU)
  • Verband der Hersteller von Jagd-, Sportwaffen und Munition (JSM)
  • Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler e. V. (VDB)
  • Bundesinnungsverband des Büchsenmacherhandwerks (BIV)
  • Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften e. V.
  • Bundesverband Schießstätten e. V. (BVS)
  • Verband für Waffentechnik und Geschichte e. V
  • Bayrischer Soldatenbund 1874 e. V.
  • Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V.
  • Deutsche Forschungsgesellschaft für Munition (vorm. Patronensammlervereinigung)

Wie schon in früheren Publikationen machen die Verbände in ihrer Stellungsnahme deutlich, dass sie geeignete Maßnahmen unterstützen, psychisch ungeeignete Personen, Extremisten und Kriminelle vom Erwerb und Besitz erlaubnispflichtiger Schusswaffen auszuschließen.

Gleichzeitig werfen sie jedoch die Frage auf, ob die geplante Einbeziehung der Gesundheitsämter als weitere Informationsquelle zielführend ist. Sowohl die Gesundheitsämter als auch die waffenrechtlich zuständigen Behörden seien bereits heute überlastet, was zu noch längeren Wartezeiten und zeitlichen Verzügen der Vorgänge führen dürfte, sollte der Entwurf in dieser Form verabschiedet werden.

Die Verbände verweisen diesbezüglich auf die seit September 2020 geltende normierte Regelabfrage durch die Verfassungsschutzbehörden und die Schwierigkeiten, die sich für die ausführenden Behörden und WBK-Besitzer mit ihrer ad-hoc-Umsetzung ergeben haben: ungeschultes Personal, unklare Verfahrensabläufe und ausgedehnte Bearbeitungszeiträume.

Zudem werden folgende Punkte als kritisch eingestuft, da diese teils nicht vollumfänglich zu bewerten waren:

  • Vereinbarkeit des Entwurfes mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung / Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
  • Stellung der ärztlichen Schweigepflicht zur Beurteilung von Personen
  • Mehrwert und Sicherheitsgewinn durch die Einbeziehung der Gesundheitsämter in waffenrechtliche Eignungsfragen
  • Kompetenz der Gesundheitsämter hinsichtlich der Bewertung der waffenrechtlichen Eignung (Kriterienkatalog)
  • Vorhandensein erprobter administrativer und technischer Kommunikationsprozesse zwischen Behörden, Bund und Ländern
  • Mögliche Steigerung der Kosten zum Erwerb der waffenrechtlichen Erlaubnis

Vielmehr lautet die Empfehlung der Verbände, das bestehende Waffenrecht in seiner jetzigen Form vollends auszuschöpfen und anzuwenden. Den Behörden sind ausreichend Handlungsspielräume gegeben, um Gefahren zu erkennen, einzuordnen und zu beseitigen.

Fazit

Bei aller Anerkennung der Bestrebungen des Gesetzgebers, Gefahren und Risiken für die Allgemeinheit durch legalen Waffenbesitz zu minimieren, erscheint dieser Gesetzesentwurf wie ein hilfloser Versuch, von den eigenen Versäumnissen bei der Durchsetzung bestehender Gesetze abzulenken. Er entpuppt sich vielmehr als Eigentor, da gerade im Bezug auf den Fall von Hanau die Defizite der Behörden beim Vollzug von Gesetzen in der nachträglichen Betrachtung deutlich zu Tage treten.

Wenn Behörden es nicht schaffen,

  • vernetzt zu arbeiten
  • vorhandene Informationen inhaltlich korrekt einzuschätzen
  • Gefahren zu erkennen und
  • geltendes Recht durchzusetzen

welchen Mehrwert soll dann die geplante Einbeziehung insbesondere der Gesundheitsämter bringen? Stellt deren Ergebnis womöglich nur ein weiteres Dokument dar, das in einer Akte abgelegt wird und keine weitere Beachtung findet, weil es von den Behörden nicht in den entsprechenden Kontext gesetzt werden kann?

Legale Waffenbesitzer sind bereits heute die am intensivsten kontrollierte Personengruppe in Deutschland und zählen aus diesem Grund zu den besonders zuverlässigen. Die Hürden für den legalen Waffenbesitz sind hoch und personenbezogene Prüfungen werden mit der neuen Regelabfrage neuerdings alle 3 Jahre wiederkehrend durchgeführt (eine Zusammenfassung der personenbezogenen Prüfungen erhaltet Ihr in unserem Beitrag Waffenrechtliche Erlaubnis).

Der Entwurf des BMI erzeugt den faden Beigeschmack, der waffenrechtlich oftmals uninformierten Öffentlichkeit eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Geschehen von Hanau aufzuzeigen. Das Resultat ist jedoch nicht die Optimierung der Abläufe in Ämtern und Behörden oder die Durchsetzung von bestehenden Rechtsvorschriften; vielmehr erfolgt ein Exempel auf dem Rücken legaler Waffenbesitzer und derer, die es werden wollen.

Aktualisierung vom 15.06.2021

Die geplante Änderung zur Verschärfung des Waffenrechts unter dem Titel „Gesetz zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“ wird in der laufenden Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt.

Wir geben an dieser Stelle – stellvertretend für alle Verbände, Vereine und Privatpersonen, die sich um die Abwendung dieses Gesetzentwurfes gestemmt haben – den originalen Wortlaut des VDB (Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler e.V.) wider, der im Zuge der Abschaltung des Briefgenerators an die Fördermitglieder versendet wurde:

Die Waffenrechtsverschärfung ist vom Tisch, die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf kurz vor Ende der Legislaturperiode kassiert.

Endlich können wir Entwarnung für legale Waffenbesitzer geben und unseren Briefgenerator wieder abschalten. Der gefürchtete Gesetzentwurf zur Verbesserung waffenrechtlicher  Personenüberprüfungen wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen.

Zwar liegt uns hierzu keine offizielle Meldung vor, doch ein Blick auf die parlamentarischen Abläufe lässt ziemlich sicher darauf schließen, dass der Gesetzentwurf zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen den Bundestag in dieser Legislaturperiode nicht mehr beschäftigen wird.

Natürlich können wir nicht genau sagen, woher der Sinneswandel in der Regierungskoalition gekommen ist. Allerdings werden die intensiven Gespräche und Einlassungen betroffener Verbände, wie dem VDB, bei den Bundestagsabgeordneten sehr wohl wahrgenommen worden sein.

Seit Mitte März stemmte sich der VDB gegen das „Gesetz zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“. Zuletzt wurden die Berichterstatter der Fraktionen im Bundestag sowie die Abgeordneten mit einer massiven Briefaktion über den Briefgenerator auf dieses brisante Thema aufmerksam gemacht. An dieser Briefaktion haben Sie ja teilgenommen – Vielen Dank für Ihren Einsatz!

 

Das Thema „Verschärfung des Waffenrechts“ unter Einbindung weiterer Behörden wird die Gemüter der Legalwaffenbesitzer in Deutschland noch länger verfolgen. Wie bewegt es Euch? Wird die geplante Maßnahme zu mehr Sicherheit in Deutschland beitragen? Schildert uns Eure Meinung und Sichtweise auf den Entwurf des Bundesinnenministeriums in den Kommentaren  und teilt diesen Beitrag gerne in Euren sozialen Netzwerken.

Beitragsbild: Nik Shuliahin on Unsplash

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