Inhalt
Die gemeinsamen Aktivitäten und Proteste von Jägern, Verbänden, Vereinen und vielen anderen Unterstützern haben Wirkung gezeigt: die Novelle des Jagdgesetzes in Brandenburg ist vorerst gestoppt.
Gefühlt ist dieses Jahr zumindest in jagdlichen Kreisen über keine geplante Gesetzesänderung heftiger gestritten worden als über die Novelle des Jagdgesetzes in Brandenburg. Bereits in unserem Zweiteiler „Mehr grüner Schein als Sein? Eine kritische Auseinandersetzung mit Bündnis 90/Die Grünen (Teil 2)“ von Ende März 2022 haben wir die pikante Situation rund um die Novelle bereits angerissen. Was machte diese Novelle so besonders, dass sich nach ihrer Verkündung eine Vielzahl von Vereinen und Verbänden geschlossen hinter den Landesjagdverband Brandenburg als Hauptbetroffenen gestellt haben? Wir fassen die Kernthemen in diesem Artikel zusammen und erläutern, wie es in dieser Angelegenheit weitergeht.
Grünes MLUK legt Entwurf für neues Jagdgesetz vor
Am 04. März 2022 stellte Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) erstmalig den Entwurf für ein neues Jagdgesetz vor. Die Parteizugehörigkeit von Axel Vogel? Eben jene vermeintlich ökologische Vorzeigepartei Deutschlands, die sich aktuell im Bund und auf Landesebene so großer Beliebtheit erfreut: Bündnis90/Die Grünen.
Seit der ersten Vorstellung der Novelle reißt die Kritik an ihr nicht ab. Wer sich ein wenig genauer mit den Inhalten beschäftigt, der versteht auch schnell warum. So kritisierte der Landesjagdverband Brandenburg besonders folgende Punkte in dem Entwurf:
- Absenkung der Mindestgröße für Jagdreviere von derzeit 150 auf 10 Hektar, wodurch eine flächendeckende und ökologisch sinnvolle Bejagung nicht mehr möglich ist
- Herabsetzung von Tierschutzstandards (“Wald vor Wild”)
- Neugestaltung von Aneignungs- und Beseitigungspflicht
- Neuregelung der Jagdabgabe, die sich nachteilig auf Jagdscheininhaber auswirkt
Die Richtung der Landesregierung ist klar: zur Förderung der Wald- bzw. Naturverjüngung möchte sie mehr Wildtiere erlegen lassen, um den Waldumbau voranzutreiben. Nun ist Brandenburg hinsichtlich „Strecke machen“ auch kein unbeschriebenes Blatt, denn in den letzten drei Jahren hat das Bundesland insgesamt 3,3 Millionen Euro an Erlegungsprämien für Wildschweine ausgezahlt.
Doch wer Änderungen wie in der zuvor genannten Größenordnung vorschlägt und rechtlich festschreiben möchte, sollte eines vorher unbedingt umsetzen: Vertreter aller derjenigen mit an den Tisch zu holen, die direkt davon betroffen sind und bei der Ausführung helfen sollen. Mit seinen Parteifreunden in geselliger Runde weitreichende Änderungen diskutieren und zusammentragen kann zwar jeder machen, dann muss sich jedoch niemand über möglichen Gegenwind wundern.
Dr. Dirk-Henner Wellershoff, Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg e.V., hat sich mit klaren Worten zu dem Entwurf geäußert: “Wir wehren uns dagegen, dass der Landschafts-, Umwelt- und Tierschutz einer verfehlten Waldpolitik geopfert werden soll.”
Rechtsgutachten: Novelle des Jagdgesetzes in Teilen verfassungswidrig
Neben seinen zuvor genannten klaren Worten hat Dr. Dirk-Henner Wellershoff auch juristische Schritte nicht ausgeschlossen. Doch in einem ersten Schritt wurde ein Rechtsgutachten zu dem Entwurf bei Universitäts-Professor Dr. iur. Johannes Dietlein (Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) in Auftrag gegeben. Was für das MLUK wohl überraschend war: das Rechtsgutachten stellt der Novelle erhebliche Mängel aus und bringt es direkt in der Zusammenfassung auf Seite zwei auf den Punkt:
„Der zur Begutachtung vorliegende Arbeits-Entwurf eines Jagdgesetzes für das Land Brandenburg (Stand 03.03.2022 – im Folgenden zit. als Entw.) wird dem selbstgesetzten Anspruch, einen „grundlegenden Paradigmenwechsel“ herbeizuführen, in keiner Weise gerecht wird. Im Gegenteil erweisen sich die zentralen Reformvorschläge als nicht praxistauglich, in sich widersprüchlich und verfassungsrechtlich problematisch. Mit Blick auf die drohenden massiven ökonomischen wie tierschutzrechtlichen Nachteile im Falle der Beschlussfassung und Umsetzung des Entwurfes erscheint eine grundlegende Überarbeitung, besser noch die vollständige Rücknahme des Entwurfes notwendig.“
Die Empfehlung von Professor Dr. iur. Johannes Dietlein lautete, den Entwurf des Jagdgesetzes zurückzunehmen.
Neue Allianzen und Kooperationen zwischen Verbänden
Unabhängig vom zuvor genannten Gutachten gab es parallel dazu umfangreiche deutschlandweite Aktivitäten, um den Entwurf des Jagdgesetzes zu stoppen. So entstanden auch neue Allianzen, die Hoffnung auf zukünftige verbandsübergreifende Kooperationen aufkeimen lassen. An dieser Stelle möchten wir zwei unserer Meinung nach wesentliche Aktionen nennen:
1. Eine Allianz aus sechs bundesweit tätigen Organisationen hat sich zusammengefunden und in einem Positionspapier Stellung gegen den Gesetzentwurf bezogen:
- Deutscher Jagdverband (DJV)
- Bundesverband Deutscher Berufsjäger (BDB)
- Nationale Delegation Deutschland des CIC
- Deutscher Falkenorden (DFO)
- Deutscher Jagdrechtstag e.V. (DJRT)
- Deutsche Wildtierstiftung
2. Der Briefgenerator des VBD (Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler e.V.) wurde zum zweiten Mal aktiviert und so die Unterstützung des Landesjagdverbands Brandenburg durch Privatpersonen ermöglicht. Bewohner Brandenburgs konnten Ihre Briefe über den Generator direkt an ihre Wahlkreisabgeordneten schicken. Die Briefe von Bewohnern außerhalb Brandenburgs gingen an den Ministerpräsidenten Dr. Woidke und an MdL Axel Vogel.
Axel Vogel und Koalition lenken ein
Am 10.05.2022 lenkte Axel Vogel in Potsdam schlussendlich ein und gab bekannt, dass der Gesetzentwurf vorerst gestoppt ist. Die eingereichten Vorschläge von Verbänden und Einzelpersonen zur Novelle sollen nun ausgewertet und wo umsetzbar in den neuen Gesetzentwurf einfließen. Kompromisse bzw. ein Umdenken bei der Reduzierung der erforderlichen Reviergröße sind jedoch fraglich.
Ob die vorgebrachten Einwände gegen den Entwurf (die insbesondere die Unterordnung der Wildtiere zugunsten des Waldumbaus und somit Klimaschutz betreffen) Einzug in die Überarbeitung finden, bleibt abzuwarten. Zu stark ist die ideologische Ausrichtung von Bündnis 90/Die Grünen auf den Klimaschutz. Der letzte Absatz im verlinkten Artikel bringt dies einmal mehr zum Ausdruck:
„Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke betonte, das Ziel sei, den Waldaufwuchs in Brandenburg voranzubringen. Er sieht dafür Zeitdruck: «Jeden Monat, den wir das nicht tun, geht uns da ein großes Stück Klimaschutz verloren.»“
Ob sich unsere Wildtiere heutzutage noch freuen können, wenn sie eine Rolle in „grünen“ Gesetzestexten spielen?
Lautes Schweigen aus dem Lager der Tierschützer
Nun mögen Einige den Grünen ihr Dilemma mit dem Brandenburgischen Jagdgesetz nachsehen und Axel Vogel zu Gute halten, dass er eingelenkt hat und zu Gesprächen bereit ist. Doch das Verwunderliche ist und bleibt, dass es von Seiten der üblichen Empörten aus den Reihen der Tierschützer um die von grünen Ministerien geplante Bestandsreduzierung der heimischen Wildtiere überraschend ruhig bleibt.
Zündelnde Jagdgegner, die gerne Hochsitze neben Strommasten in Brand setzen oder Fallen an Jagdeinrichtungen anbringen, um Jäger an der Jagdausübung zu hindern, scheinen auf einmal verstummt. Ist es für sie plötzlich ethisch, moralisch oder sonst wie vertretbar, dass Jäger nach grünen Vorstellungen zukünftig mehr Wildtiere schießen, um „den Wald und das Klima zu schützen“? Womöglich sogar noch einer der Jäger, dem man gestern noch die Kanzel abgefackelt hat?
Eine Positionierung der Tierschutzorganisation PETA scheint uns entweder entgangen zu sein oder sie liegt schlicht nicht vor. Lediglich zur Novelle des Bundesjagdgesetzes stellt PETA sein Schreiben an das damals von Julia Klöckner (CDU) geführte BMEL zur Verfügung.
Auch der sich selbst als Dachverband aller Tierschützer verstehende Wildtierschutzverband scheint bis heute auf seiner Internetpräsenz keine Meinung zu diesem Thema zu haben. Doch vielleicht sagen auch Überschriften auf seiner Seite wie beispielsweise „Unserem Wald geht es sehr schlecht!“ schon alles. Dient auch hier wieder die vorangestellte Sorge um Wildtiere an sich einem anderen Zweck?
Vielleicht mag der „oberste Tierschützer dieses Landes“, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, eine Position dazu beziehen und seinen Worten im Rahmen seines Amtsantritts Taten folgen lassen:
“Ich sehe mich als obersten Anwalt der Landwirtinnen und Landwirte, von denjenigen, die für das Essen auf unserem Tisch sorgen. Ihnen müssen wir bei der Transformation hin zu mehr Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz helfen. Gleichzeitig bin ich auch oberster Tierschützer dieses Landes. Für mich heißt es jetzt: Zwischen Landwirtschaft und Umwelt gehört kein „oder“. Da bin ich mit meiner Kollegin, Umweltministerin Steffi Lemke, einig. Gemeinsam werden wir die größten Herausforderungen unserer Zeit angehen: die Klimakrise und den Erhalt des Artenreichtums.”
Fazit
Die Novelle des Jagdgesetzes in Brandenburg zeigt deutlich, dass grüne Ideen nicht zwangläufig Vorteile für die heimischen Wildtiere mit sich bringen. Vielmehr zeichnet sich immer deutlicher ab, dass sich Bündnis 90/Die Grünen mittlerweile fast ausschließlich dem Kernthema Klima verschrieben haben und sich alles Andere dem unterzuordnen hat. Ein genauer Blick auf die Positionen von Bündnis 90/Die Grünen zu Tier- und Artenschutz ist daher mehr denn je erforderlich.
Doch abgesehen vom ersten Schock über den Inhalt der Novelle hat sie aus unserer Sicht auch Positives hervorgebracht: Die gemeinschaftlichen Aktivitäten durch die Jagdverbände und den VDB haben gezeigt, welche Erfolge wir erzielen können, wenn wir zusammen für unsere Ziele einstehen. Hilfe und Gleichgesinnte sind oftmals nicht so weit entfernt, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Darum bleibt es weiterhin wichtig, die jetzt gebildeten Allianzen und Kooperationen nicht einschlafen zu lassen sondern weiter an ihnen zu arbeiten und auf ein neues Fundament zu stellen. Dies ist unser Appell an unsere Verbände.
Es ist absehbar – und das war schon vor der Bundestagswahl zu befürchten – dass wir Jäger und Legalwaffenbesitzer uns schwierigen Zeiten gegenüber sehen. So hat die Bündnis90/Die Grünen-Bundestagsfraktion zu einer Diskussionsrunde unter dem Thema „Waffenrecht: Vollzug und Handlungsbedarf“ eingeladen. Die Veranstaltung war ursprünglich für den 16.05.2022 geplant, wurde aufgrund Absagen von Teilnehmern jedoch verschoben. Ein neuer Termin ist noch nicht bekanntgegeben. Somit bietet sich für alle, die von dieser Veranstaltung bis jetzt noch keine Kenntnis hatten, die Möglichkeit, sich dafür zu registrieren.
Anhand der gegenwärtigen Entwicklungen können wir weiterhin nur jeden ermutigen, sich zu vernetzen und vermeintliche Gräben zu überwinden. Wir haben in unserem Text zwei bedeutende Beispiele für gelungene Kooperationen angesprochen. Auch auf örtlicher Ebene gibt es oftmals noch weitere Schnittmengen, wie die laufenden Wildtierrettungen im Zuge der Frühjahrsmahd jährlich wiederkehrend zeigen.
Lasst uns gemeinsam daran arbeiten und aufeinander zugehen.
Hat Euch dieser Artikel gefallen? Was war Euer erster Gedanke, als Ihr von dem Inhalt des Entwurfs und den geplanten Änderungen am Jagdgesetz in Brandenburg erfahren habt? Denkt Ihr, dass die Koalition und das MLUK auf die Vorschläge von Verbänden, Vereinen und der Bevölkerung eingehen und unsere Wildtiere stärker berücksichtigen wird? Schreibt uns Eure Meinung in die Kommentare.