Inhalt
- Was ist die Europäische Chemikalienverordnung (REACH)
- Wann tritt das Bleiverbot in Feuchtgebieten in der EU in Kraft?
- Rechtliche Risiken des Bleischrotverbots für Jäger
- Umkehrung der Beweislast beim Mitführen vom Bleischrot
- Deutscher Jagdverband bleibt beim Bleischrotverbot am Ball
- Fazit
- Gute Angebote für die besten Produkte für die Jagd
In 2021 hat die Europäische Union (EU) die Europäische Chemikalienverordnung (REACH) geändert und ein Verbot der Verwendung von Bleischrot an und in Feuchtgebieten erlassen. Nun ist Vorsicht geboten, denn die neue Regelung ist keineswegs so einfach auszulegen wie vielleicht angenommen werden mag. Das Verbot bezieht sich nämlich nicht nur auf ein Feuchtgebiet an sich, sondern schließt auch eine so genannte Pufferzone in der Größe von 100 Metern um das jeweilige Feuchtgebiet mit ein. Diese Regelung birgt einige Fallstricke für Jäger, denn sie ist schwammig und äußerst unpräzise formuliert.
Nach Ablauf der Übergangszeit tritt die Regelungen nun am 16. Februar 2023 in Kraft. Ab diesem Datum ist es verboten, Bleischrotmunition mit einem Bleigehalt >1% in Feuchtgebieten samt Pufferzone zu verschießen oder auch nur mit sich zu führen. Ein Grund mehr, hier einmal genauer hinzuschauen, was das für die Jagd in Deutschland bedeutet.
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Was ist die Europäische Chemikalienverordnung (REACH)
Die Abkürzung REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) und ist am 1. Juni 2007 in Kraft getreten.
REACH regelt die Verwendung von Chemikalien zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt innerhalb der Europäischen Union. Gefahren und Risiken durch chemische Stoffe sollen verhindert und zeitgleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie verbessert werden. REACH untersucht den Einsatz chemischer Stoffe über ihren gesamten „Lebenszyklus“ hinweg, von der Gewinnung und Verarbeitung bis hin zur Anwendung im Alltag der Endverbraucher.
Die Unternehmen tragen in diesem Prozess die Beweislast und müssen der ECHA (European Chemicals Agency) aufzeigen, dass die von ihnen eingesetzten Stoffe und hergestellten Produkte keine Risiken beinhalten bzw. wie diese Risiken beherrschbar sind. Anwender müssen darüber entsprechend informiert werden. Sollten bestimmte Risiken einer Chemikalie nicht beherrschbar sein, so können die Behörden der ECHA Einschränkungen bis hin zum Verbot dieser Chemikalie durchsetzen und so einen Austausch vorantreiben.
Wann tritt das Bleiverbot in Feuchtgebieten in der EU in Kraft?
Für alle EU-Staaten ist das Verbot der Verwendung von Bleischrot an und in Feuchtgebieten ab dem 16. Februar 2023 gültig, die Regelung zum Verbot gilt unmittelbar. Als Konsequenz kann die EU-Regelung ggf. bereits bestehende Verbote in den EU-Mitgliedsstaaten überlagern, wobei rechtliche Regelungen auf Landesebene in Kraft bleiben. Geht zum Beispiel ein Landesgesetz in seiner Auslegung weiter als die EU-Regelung, so finden eben diese Regelungen des Landesgesetzes weiterhin Anwendung. In Deutschland ist noch kein bundesweites Bleischrotverbot in Kraft, wodurch die neue EU-Regelung bundesweite Gültigkeit bekommt.
Allerdings entscheiden die Mitgliedstaaten eigenständig über die Verfahrensweisen, wie sie bei Verstößen gegen die neue Regelung vorgehen wollen. Derzeit werden in Deutschland Verstöße mit einem Bußgeldverfahren geregelt, wobei es wiederum jedoch keine bundeseinheitliche Vorgehensweise bei einem Tatbestand gibt.
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Rechtliche Risiken des Bleischrotverbots für Jäger
Das größte Problem in der neuen Regelung zum Bleiverbot für uns Jäger besteht in seiner äußerst schwammigen Formulierung. Ist die Definition von „in einem Umkreis von 100 Metern“ noch deutlich, so liegt der Kern der Unsicherheit im Begriff „Feuchtgebiet“ und seiner genauen Definition.
Unter Feuchtgebiet fallen laut der neuen EU-Regelung:
„Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete oder Gewässer, die natürlich oder künstlich, dauernd oder zeitweilig, stehend oder fließend sind und aus Süß-, Brack- oder Salzwasser bestehen, einschließlich solcher Meeresgebiete, die eine Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser nicht übersteigen“
Nehmen wir als Jäger diese Regelung beim Wort, so wäre jede Pfütze auf einem Feldweg ein Feuchtgebiet, in dessen Umkreis von 100 Metern kein Bleischrot verschossen werden darf. Hoffnung auf eine Präzisierung macht ein Urteil des Europäischen Gerichts von Januar 2023, welches die Bedeutung eines Feuchtgebietes genauer umreißt: ausgenommen sind Gebiete, die „aufgrund ihrer Größe oder Instabilität nicht als Lebensraum für Wasservögel geeignet sind“. Pfützen zählen demnach nicht dazu. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Wie die Situation mancherorts nach einem Regenschauer zu bewerten ist, möchten wir an dieser Stelle gar nicht erst versuchen auszuführen. Unter Umständen wäre jede Jagd mit Bleischrot, während der es zu regnen beginnt, sofort abzubrechen, ansonsten könnten rechtliche Konsequenzen drohen.
Auch Schießstände können von der neuen Regelung betroffen sein. Liegen sie innerhalb einer Pufferzone, so ist das Schießen mit Bleischrot dort verboten. Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat bereits die Politik aufgefordert, Mittel aus dem Haushalt zur Verfügung zu stellen, um den Umbau von betroffenen Schießständen zu unterstützen, denn notwendige Umbaumaßnahmen sind zeitintensiv und erreichen schnell Beträge von mehreren Millionen Euro – pro Schießstand (Quelle: Rheinisch-Westfälischer Jäger 2/2023, Seite 4).
Umkehrung der Beweislast beim Mitführen vom Bleischrot
Ein besonders heikler Punkt bei der neuen EU-Regelung ist die Beweislastumkehr, die zulasten des Jägers geht. Diese besagt, dass ein Jäger, der bleihaltige Schrotmunition in oder nahe Feuchtgebieten mit sich führt, beweisen muss, dass er diese Munition dort nicht benutzt hat. Die so genannte Unschuldsvermutung gilt im Zusammenhang mit Feuchtgebieten also nicht. Vielmehr wird die Situation bei einer Kontrolle dahingehend ausgelegt, dass ein Jäger, der in oder nahe einem Feuchtgebiet bleihaltige Schrotmunition mit sich führt, diese auch im Feuchtgebiet oder der Pufferzone einsetzen wollte.
An diesem Punkt kommt dann wieder der obige Absatz ins Spiel, bei dem es um die genaue Definition eines Feuchtgebietes gilt. Wenn nicht genau definiert wird, was ein Feuchtgebiet ist, wo es beginnt und wo es aufhört, rechtliche Rahmenbedingungen nicht klar sind und ein Jäger sogar neuerdings seine Unschuld beweisen muss, dann sieht es schlecht aus mit der Rechtssicherheit in Deutschland hinsichtlich des Bleiverbots. Ob dies das Ansinnen der EU-Regelung war, steht auf einem anderen Papier.
Deutscher Jagdverband bleibt beim Bleischrotverbot am Ball
Es bleibt also in wichtigen Angelegenheiten zum Bleiverbot weiterhin einiges an Klärungsbedarf. Der Deutsche Jagdverband ist seit Jahren an diesem Thema dran und setzt sich weiterhin für eine praktikable und vor allem rechtssichere Anwendung der EU-Regelung in Deutschland ein. Besonders die noch zu klärenden Rechtsfragen stehen beim DJV weit oben auf der Agenda, zu denen es hoffentlich bald im Sinne aller Jagdscheininhaber klare Verfahrensweisen geben wird.
Wer sich genauer in die Materie einlesen möchte, dem empfehlen wir das „Frage-Antwort-Papier zum Bleischrotverbot in Feuchtgebieten“ des Deutschen Jagdverbands. Zusätzlich bietet der DJV eine Videoreihe zum Umgang mit bleifreier Schrotmunition an, die auf dem YouTube-Kanal des Verbands veröffentlicht wird.
Fazit
Es wäre nicht das erst Mal, dass die Umsetzung einer Regelung über das Ziel dessen hinausschießt, was mit ihr an sich bezweckt werden soll. Wir Jäger sind uns sicherlich einig, dass wir alle Schäden an Menschen, Tieren und der Umwelt vermeiden möchten und gewillt sind, unseren Beitrag dazu leisten. Daher ist es erst einmal zu begrüßen, die Verwendung chemischer Stoffe zu untersuchen und ihren Einsatz zu hinterfragen, im letzten Schritt sogar nach Alternativen zu suchen.
Wird die Entscheidung getroffen, dass aufgrund gesundheitlicher Bedenken Änderungen an einem Produkt vorgenommen werden sollen, so müssen allerdings auch die Rahmenbedingungen stimmen. Jagd muss auch weiterhin waidgerecht ausgeführt werden können. Dafür bedarf es geeigneter und flächendeckender Übungseinrichtungen in Form von Schießständen. Wir dürfen nicht Gefahr laufen, diese Basis zu verlieren, weil eine rechtliche oder finanzielle Umsetzung nicht leistbar ist.
Nicht zu Letzt bedarf es Rechtssicherheit bei der Anwendung neuer Regelungen. Rechtliche Vorgaben dürfen bei der Jagd nicht zur Auslegungssache werden. Alle Legalwaffenbesitzer haben mit den Anforderungen des Waffengesetzes bereits mehr als ausreichend Stolpersteine zu beachten, weitere Unsicherheiten durch neue EU-Regelungen bedarf es daher nicht. Es muss klar und einfach ersichtlich sein, was erlaubt ist und was nicht und mit welchen Konsequenzen im Ernstfall zu rechnen ist. In diesen Punkten gibt es leider noch einige Unklarheiten.
Hat Euch dieser Artikel gefallen? Wie sind Eure Erfahrungen im Umgang mit bleifreier Munition und wie steht Ihr zu dem Verbot? Ist die Definition eines „Feuchtgebietes“ für Euch ausreichend oder seht Ihr darin eine Möglichkeit zur rechtlichen Auslegung? Lasst uns Eure Meinung über die Kommentarfunktion zukommen.